Im Pool mit Adorno

„Am Anfang schwebte der Geist ueber den Wassern“ als pralle Regenwolke – so viel zum kosmischen Kreislauf. Wir Landlebewesen sind Effekt einer Klimakatastrophe, als „Mischwesen“ sind wir an Land, auf die Buehne gekrochen und als solche werden wir sie nach der „Abschaffung der Arten“ (Dath) wieder verlassen: Regression zum Lurch (according to Adorno & Horkheimer) oder Degeneration der Klassen in zwei verschiedene Arten (H. G. Wells) – es zieht uns zurueck in den Tuempel: die Verwandlung vom Prinzen in die Kroete.

Aber man kann die Metapher eines kollektiven „Ins Wasser gehens“ auch in hellerem Licht sehen: In der Tradition des Afro-Futurismus gibt es eine Sci-Fi-Fantasy 10.000 Meilen unter dem Meer: „Black Atlantis“. In U-Staedten wohnt eine Zivilisation von Wassermenschen, Nachfahren des versunkenen Kontinents und Kinder jener Sklavinnen, die hochschwanger ins Meer gestossen wurden, wenn die Sklavenschiffe in Seenot gerieten auf dem Weg in die „Neue Welt“ und die „Ladung geloescht wurde“.

In dieser ozeanischen Welt herrscht Inter-Species-Communication ueber Sounds, eine Welt voller Klaenge & Gesaenge. Vielleicht ist es Techno-Musik, die uns ins Wasser lockt wie Sirenen, der „Untergang des Abendlandes“ (Spengler) ist woertlich zu verstehen als Absaufen und die UFOs kommen nicht from Outer space, sondern aus dem Meer als fliegende U-Boote, Boten einer neuen Kultur. Wenn der letzte Eisberg geschmolzen ist, werden wir dort zu Grunde gehen, vorausgesetzt we know how to dance!

In „europe an alien“, einem unsrer ersten Stuecke haben wir schwarze Regencapes getragen, die man in Amsterdam, wo wir damals gelebt haben, ueberall kaufen kann. Darin sieht man aus wie der Boogey-Man: Das ist die Figur, vor der sich alle fuerchten – ins Meer geschleift zu werden von einem rachsuechtigen Geist. Aber keine Reue ueber keine Gier bringt hier Rettung, sondern nur ein Kopfsprung: „Jump, you fuckers!“ (Demo-Slogan Wall-Street, Oktober 08).

In unserm aktuellen Performance-Projekt geht es um einen Zirkus, der unter Wasser gesetzt wird von einem Holzkopf, der nix tut. Vorlage ist „Zirkus Sardam“ von Daniil Charms. Uns geht es um ein „Lob der Faulheit“ in der Tradition Adornos, der sich das Glueck vorstellte „auf dem Wasser liegend und friedlich in den Himmel schauend“. Im Pool mit Adorno. Diese Idylle wird konterkariert vom Bild der Turbulenzen „auf hoher See“, das inflationaer fuer die Krise benutzt wird, fuer das Ende der Gemuetlichkeit im nationalen Wohlfahrtsstaat.

Die Globalisierung als weltweite Verfluessigung, wobei man sich Staatslenker gerne als Steuermaenner vorstellt wie Stalin am CCCP-Steuerrad: „Nicht das Proletariat steht am Steuerrad/ sondern ein Walross regiert jetzt den Staat“ heisst es in unserm aktuellen Stueck „Mausoleum Buffo“. Dort sieht Lenin, wenn er nachts durch eine „Glass Onion“ blickt, ein Piratenschiff im Himmel: „Dead Kronstadt-sailors are trying to fix a hole in the ocean“. Diese Lennon-Zeile kommt in den Sinn, wenn man von den Massnahmen der Regierung liest, das Billionen Dollar-Loch zu stopfen.

Und Ringo Starr, der ein Loch aus der Hose zieht: „I have a hole in the pocket!“ Mit diesen Loechern, die verdammt wie LPs aussehen, muessen wir jonglieren lernen in den naechsten Jahren! In unsrer globalen Waterworld sind das die Lecks, durch die das Wasser eindringt als das „Aussen“, das es angeblich laengst nicht mehr gegeben hat. Die Fluten kommen von Innen – es sind die verdraengten Wuensche! Zeit, mit der Titanic-Metapher aufzuraeumen, sich von Eisbergen und -baeren zu verabschieden und „ins Offene“ hinauszuwagen: „Ein Schiff, das sich Kommune nennt!“

Autor

Alexander Karschnia